Korrupter Recep Tayyip Erdogan (Text: ORF)

Bitte an Justizminister „normal“

Der durch Korruptionsvorwürfe unter Druck geratene türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat die Echtheit von zwei Telefonmitschnitten bestätigt, die nach Einschätzung seiner Kritiker eine illegitime Einflussnahme auf einen Gerichtsprozess und eine Ausschreibung belegen.

Im Internet waren in den vergangenen Wochen mehrere Mitschnitte von Telefonaten Erdogans aufgetaucht. Der Ministerpräsident hatte die meisten als Fälschungen zurückgewiesen, einige aber auch bestätigt. So räumte er bereits ein, einen privaten Fernsehsender aufgefordert zu haben, weniger ausführlich über die Opposition zu berichten. Einige Mitschnitte waren offenbar von der Staatsanwaltschaft im Rahmen der von Erdogan kritisierten Korruptionsermittlungen angeordnet worden. Wer sie jetzt veröffentlicht hat, ist nicht bekannt.

Ärger über Kritiker-Freispruch und Bauvergabe

Am Mittwoch nahm Erdogan nun zu einem Mitschnitt Stellung, in dem er mit seinem damaligen Justizminister Sadullah Ergin über einen Prozess gegen den Erdogan-kritischen Medienunternehmer Aydin Dogan spricht. In dem Telefonat ärgert sich Erdogan über einen Freispruch für Dogan; Ergin beruhigt ihn mit dem Hinweis auf höhere Instanzen. Erdogan sagte am Mittwoch, es sei nur normal, wenn er seinen Justizminister bitte, ein bestimmtes Gerichtsverfahren im Auge zu behalten.

In dem zweiten Mitschnitt geht es um die Ausschreibung zum Bau eines Kriegsschiffs. Der Auftrag war zunächst an den Industriekonzern Koc vergeben worden, dessen Haltung während der Gezi-Unruhen im letzten Jahr den Zorn Erdogans erregt hatte. In dem Telefonat fordert Erdogan den Unternehmer Metin Kalkavan auf, trotz abgelaufener Frist ein Konkurrenzgebot einzureichen. Der Auftrag an Koc wurde später annulliert. Erdogan sagte dazu, Kalkavan sei bei der ursprünglichen Ausschreibung übergangen worden.

„Montagen“ an manchen Stellen

Gleichzeitig jedoch hält Erdogan daran fest, dass es sich bei den Aufnahmen um manipuliertes Material handle. An manchen Stellen gebe es „Montagen“, sagte er laut „Spiegel“. Diejenigen, die hinter den Aufnahmen und Veröffentlichungen steckten, seien „charakterschwach“, schimpfte er.

Laut „Spiegel“ sagte Erdogan in Ankara während einer Pressekonferenz, er habe nur gehandelt, um den Staat vor Schaden zu bewahren. Dass Gespräche, die über besonders gesicherte Telefone geführt wurden, abgehört und veröffentlicht wurden, sei ein „noch nie da gewesener Skandal“. Gleichzeitig bezeichnete er die erstmals Mitte Dezember aufgetauchten Korruptionsvorwürfe gegen seine Regierung erneut als „Putschversuch“.

Kein Kommentar zu Telefonat mit Sohn

Zu den brisanten Gesprächen mit seinem Sohn Bilal, in denen er ihm befiehlt, mehrere Millionen Dollar und Euro vor Korruptionsermittlern in Sicherheit zu bringen, und in denen er ihm sagt, er solle ein Geschäft ablehnen, weil nicht genug Geld fließe, nahm Erdogan nicht Stellung.

Widersacher Erdogans stellen seit Wochen abgehörte Telefongespräche ins Netz. Für die Lauschaktionen und für Korruptionsermittlungen gegen Regierungskreise machen Gefolgsleute Erdogans die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fetullah Gülen verantwortlich. Erdogan und Gülen liefern einander seit Dezember einen heftigen Machtkampf.

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