Koalitionsverhandlungen: Alle Lehrer sollen an die Laender gehen (Gary Fuchsbauer, UGÖD)

 Kritische Stimmen auch in SPÖ und ÖVP

 In Sachen Lehrerdienstrecht hat die Regierung Ernst gemacht, und nun scheint sich in den Koalitionsverhandlungen auch eine Lösung für ein anderes jahrelanges Streitthema anzubahnen. Medienberichten zufolge wollen SPÖ und ÖVP die Kompetenzen für alle Lehrer den Ländern übertragen. Bisher war für AHS- und BMHS-Pädagogen der Bund zuständig. Doch nicht nur Opposition und Experten warnen vor politischer Einflussnahme an Schulen durch die Länder: Auch in der SPÖ und der ÖVP gibt es kritische Stimmen, die eine Vereinheitlichung beim Bund sehen wollen.

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Annäherung bei altem Streitthema

 Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP ist offenbar wieder die Zuständigkeit für die Lehrer ein Thema geworden. Mehrere Medien berichteten, dass die Bundesländer künftig Dienstgeber aller Lehrer werden sollen und damit vom Bund die AHS- und BMHS-Pädagogen übernehmen könnten. Allerdings gibt es sowohl in der SPÖ als auch in der ÖVP noch Widerstand dagegen.

 Laut „Wiener Zeitung“ wurde das jahrelange, in unterschiedlichen Intensitäten geführte Tauziehen um die Lehrerkompetenzen zugunsten der Länder entschieden. Im Gegenzug soll der Bund für das Qualitätsmanagement zuständig sein, er würde die Zielvorgaben für die Lehrer machen, berichtet das ö1-Mittagsjournal – mehr dazu in oe1.ORF.at.

 Zwischen Ländern und Bund aufgeteilt

 Verhandelt wird die Frage in der vom burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) und Seniorenbund-Obmann Andreas Khol (ÖVP) geleiteten Staatsreform-Arbeitsgruppe. Der „Standard“ vermeldete unter Berufung auf Verhandlerkreise, die Sache sei bereits zur Chefsache erhoben worden.

 Landeslehrer (Pflichtschullehrer) sind die rund 80.000 Pädagogen an den Volks-, Haupt-, Sonder-, Polytechnischen und Berufsschulen. Ihr Dienstgeber ist das jeweilige Land – bezahlt werden sie allerdings fast vollständig vom Bund. Bundeslehrer sind jeweils knapp über 20.000 Pädagogen an den allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) und den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS). Ihr Dienstgeber ist der Bund, der sie auch bezahlt.

 Debatte schon seit Jahren

 In den vergangenen Jahren drängten die Landeshauptleute immer wieder auf eine „Verländerung“ aller Lehrer, die scheidende Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) pochte zunächst auf das Gegenteil und damit auf eine Bundeszuständigkeit für die Pflichtschullehrer. Später gab sie sich mit dem Status quo zufrieden, „um sich nicht in Endlosdebatten zu verheddern“.

 In dieser Frage verlaufen die Konfliktlinien nicht so sehr entlang der Fraktionsgrenzen, sondern eher entlang des Zuständigkeitsfelds. Während die SPÖ-Bundesposition gegen eine „Verländerung“ war, machten sich einige SPÖ-Landespolitiker wiederholt dafür stark.

 ÖVP-Wirtschaftsflügel skeptisch

 Skepsis herrscht hingegen beim ÖVP-Wirtschaftsflügel. So befürchtet der Bildungsexperte der Industriellenvereinigung (IV), Christian Friesl, in der „Wiener Zeitung“, die Länder könnten ihren personalpolitischen Einfluss auf Direktorenbestellungen verstärken. „Es täte sowohl ÖVP als auch SPÖ gut, nach vorne zu schauen und nicht Machtansprüche zu sichern“, betont Friesl. Ähnliche Warnungen kommen aus der Wirtschaftskammer.

 Opposition warnt vor Politeinfluss an Schulen

 Für die Regelung brauchen SPÖ und ÖVP allerdings weitere Stimmen, da eine Zweidrittelmehrheit nötig ist. Die Grünen kommen dafür nicht infrage: Bildungssprecher Harald Walser warnte vor einer fatale Fehlentwicklung. „Der Parteiproporz in den Schulen muss ein Ende haben, das geht nicht, wenn in Zukunft neun Landeshauptleute als Dienstgeber auftreten.“

 Auch der TeaBildungssprecher des Teams Stronach (TS), Robert Lugar, warnte am Freitag in einer Aussendung davor, dass bei einer „Verländerung“ „die rot-schwarzen Landesfürsten noch mehr Macht bekommen und die Personalpolitik in den Schulen endgültig bestimmen“ würden.

 FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz ist zwar nicht prinzipiell gegen eine Zuständigkeit der Länder für die Lehrer, solange es künftig eine einheitliche Personalhoheit gebe. Sollte von SPÖ und ÖVP eine „Verländerung“ aber nur, wie von ihm befürchtet, dazu „missbraucht werden, um einzelnen Landeshauptleuten und anderen Parteibonzen ihre Machtpositionen zu sichern und die Bildungspolitik noch mehr als bisher zu verpolitisieren“, müsse die FPÖ die Idee ablehnen.

 Experten wollen Vereinheitlichung beim Bund

 Experten haben in den vergangenen Jahren zwar immer auf eine Vereinheitlichung gedrängt, wollten die Kompetenzen allerdings beim Bund sehen. Die Psychologin Christiane Spiel wiederholte diesen Standpunkt auch im ö1-Mittagsjournal: So könnte die Trennung zwischen Volks- und Hauptschullehrern leichter überwunden werden, einheitliche Qualitätssicherungssysteme seien leichter. Und sie führte als Negativbeispiel die Kindergartenpädagogik an, bei der die Länderzuständigkeit viele unterschiedliche Regelung zur Folge habe – mehr dazu in oe1.ORF.at:

 oe1.orf.at/artikel/358465

 Bildung:

Nur mehr Landeslehrer? Bildungsexpertin warnt

 Alle Lehrer in die Zuständigkeit der Länder – das wäre aus wissenschaftlicher Sicht keinesfalls sinnvoll, und zwar nicht nur für die Lehrer, sondern auch für Eltern und Schüler. Die Wiener Bildungspsychologin Christiane Spiel fände es vernünftiger, dass alle Bundeslehrer werden.

(Mittagsjournal, 22.11.2013: Bildungspsychologin Christiane Spiel im Gespräch mit Regina Pöll)

 Vorteile einer zentralen Lösung

 Sie sehe nicht, welches Ziel mit der Landeslehrerlösung verfolgt werden sollte, so Spiel im Ö1-Interview. Als warnendes Beispiel nennt Spiel die Kindergartenpädagoginnen, die nicht Bundesangelegenheit seien: Die Folge seien ganz unterschiedliche Standards wie zum Beispiel für die Anzahl der Kinder pro Erziehende bei Kindergarten- und Krippenplätzen. Zudem gebe es Unterschiede in den Qualitätssicherungssystemen.

 Eine Bundeslösung hätte laut Spiel viele Vorteile: So könnte die Trennung zwischen Volks- und Hauptschullehrern leichter überwunden werden, einheitliche Qualitätssicherungssysteme seien leichter möglich, der Weg zwischen Schule und zentraler Behörde wäre direkter.

 Links:

    „Wiener Zeitung“- Artikel

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/oesterreich/politik/588928_Widerstand-gegen-Land-Lehrer.html

    „Standard“-Artikel

http://derstandard.at/1381374228868/Laender-koennten-Dienstgeber-aller-Lehrer-werden