Gary Fuchsbauer (ÖLI-UG): Fließende Gedanken zu den Dienstrechtsverhandlungen im Schulbereich

Am Mo., 28.1., haben sich laut Medienberichten die Ministerinnen Claudia Schmied
(BMUKK), Gabriele Heinisch-Hosek (BKA) und Maria Fekter (BMF) getroffen, um ihre
Position zu den seit 9 Monaten laufenden Dienstrechtsverhandlungen fuer die
LehrerInnen abzustimmen. Tags darauf wurde berichtet, dass Bundeskanzler Faymann
darueber direkt mit GOeD-Vorsitzendem Neugebauer verhandeln wolle.
Die Regierung will ein neues LehrerInnendienstrecht und das nun ploetzlich sofort.
Warum sich dann anscheinend seit mehr als einer Woche nichts tut, ist unklar.

Klar ist allerdings seit neun Monaten, dass die Regierung von kuenftigen
LehrerInnen um 9-40 Prozent Mehrarbeit verlangt und davon nicht heruntersteigt.
Immer mehr erscheinen uns diese Verhandlungen als ziemlicher Alptraum:

Warum muessen die LehrerInnen eine Lehrpflichterhoehung bekommen, wenn der
Dienstrechtsentwurf
– angeblich kein Sparpaket ist, sondern die Regierung dafuer sogar investieren will,
– so attraktiv sein soll, dass die besten jungen Menschen Lehrer/in werden wollen,
– dazu fuehren soll, dass die Jugend Oesterreichs die beste Bildung erhaelt?

Warum geht es beim Dienstrecht weiterhin nicht um die LehrerInnenarbeit
außerhalb der Klasse?
Warum begreift die Dienstgeberseite nicht, dass es fuer die Gewerkschaft den
KollegInnen gegenueber nicht kommunizierbar ist,
dass ein neues Dienstrecht wieder nur eine Bezahlung nach Unterrichtsstunden
(samt Abzuegen zB bei Unterrichtsentfall wegen einer Kultur-/Wien-/Sprachwoche)
bringt und die viele (in den letzten Jahren dazugekommene) Arbeit außerhalb
des Unterrichts unberuecksichtigt und unbezahlt bleibt?

Warum sitzen auf der Dienstgeberseite nur Menschen aus der Verwaltung und
vergleichen diese Menschen aus der Verwaltung staendig mit der Arbeit in der
Verwaltung? Glauben die womoeglich, dass durch den „Idealfall: LehrerIn ist
1796 Stunden pro Jahr in der Schule“ alle Probleme geloest waeren?
Glauben die wirklich, dass in Oesterreichs Schulen fuer die LehrerInnen die
Vor- und Nachbereitung besser, effektiver, schneller moeglich ist, als am
Arbeitsplatz zu Hause? Glauben die wirklich, dass durch die fuer die
Erfuellung der geplanten Lehrverpflichtung erforderliche Uebernahme von 1-3
zusaetzlichen Klassen fuer die LehrerInnen ein gleiches oder gar besseres
individuelles Eingehen auf die SchuelerInnen und Studierenden moeglich sein
wuerde?

Glauben Regierungsmitglieder und BeamtInnen des BMUKK, BKA und BMF
tatsaechlich, dass junge Menschen
a) fuer mehr Geld massiv Mehrarbeit in Kauf nehmen,
b) fuer mehr Geld massiv Mehrarbeit ueber viele Jahre aushalten?

Kuerzlich hat ein 30-jaehriger Absolvent eines International-Marketing-Studiums
seine Stelle in der Chefetage eines internationalen Konzerns gekuendigt. Er sagt:
Ich weiß zwar, dass ich nun nie wieder so viel verdienen werde, aber ich will
auch ein Familienleben haben koennen.

Und bei jungen Menschen, die PaedagogInnen werden wollen, mit Menschen
arbeiten wollen, soll es anders sein?

Ein paar Zahlen, die sich aus dem Regierunsgentwurf zB fuer LehrerInnen der
Lehrverpflichtungsgruppen 1-3 an AHS und BMHS und ldw.Schulen ergaeben:
Wenn jemand jetzt 18 Unterrichtsstunden braucht, auch mit Maturaklassen
(Lehrverpflichtungsgruppe 1),
oder 19 Stunden (Lehrverpflichtungsgruppe 2) oder 20 (Lehrverpflichtungsgruppe 3),
dann braeuchte sie/er im neuen Schema gemäß Entwurf 25 Stunden, sobald eine
einzige Abschlussklasse dabei ist,
also um 7, 6 oder 5 Stunden mehr,
also um 39, 32, 25 Prozent mehr – was aus der 40-Stundenwoche
eine 56-, 53-, 50-Stundenwoche im Jahresschnitt macht,
oder wenn ich von einer aktuellen 47-Stundenwoche waehrend der
Unterrichtswochen ausgehe (Arbeitszeitstudie LehrerIn 2000),
eine 65-, 62-, 59-Stundenwoche waehrend der Unterrichtswochen,
wenn die LehrerInnen auch bei den Mehrklassen ihre
Vor-/Nachbereitungs-/Individualisierungspflicht ernst nehmen.

Koennen nicht auch JournalistInnen, GOeD-Neugebauer, MinisterialbeamtInnen
und Regierungsmitglieder verstehen, dass angesichts dieser Zahlen zu fragen
ist, ob es hier wirklich um
-die beste Bildung geht und um
– das Gewinnen der fuer den Lehrberuf Geeignetsten und ob sie nicht wissen,
dass zu diesen Geeignetsten wohl die gehoeren, die beziehungsfaehig sind,
denen Beziehungen wichtig sind?

Wollen wir LehrerInnen haben, die 60-Arbeitsstundenwochen haben wollen und
dann an Burnout/Herzinfarkt zugrundegehen (und dann keine Pension kosten)?
(Den Klammerausdruck wird’s volkswirtschaftlich nicht spielen, weil die
Krankheitskosten der Ueberlebenden bei weitem die eingesparten Pensionen
uebersteigen werden – wie auch, um was ganz Boeses zu sagen – die
Krankheitskosten der RaucherInnen oder AlkoholikerInnen bei weitem die
eingesparten Pensionen uebersteigen. Entschuldigts den Sarkasmus. Aber
dieses Immer-mehr, Immer-intensiver, … erinnert mich an die 50 Jahre alte
Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral von Heinrich Boell, in der einer
einen Fischer am Meer schlafen sieht. Er fragt ihn, warum er nichts arbeite
und erklaert ihm, dass es ihm viel besser gehen wuerde, wenn er mehr arbeiten
wuerde, weil er sich dann mehr leisten koennte. Das Gespraech geht eine Zeit
lang dahin und schließlich wird dem Fischer gesagt, dass er sich dann als
Reicher Entspannung am Meer leisten koenne. Und das Gespraech wird beendet
mit der gelassenen Feststellung des Fischers, das koenne er jetzt schon.)

So wie wir ein Umdenken in der Gesellschaft brauchen (auch um Klimaziele zu
erreichen oder die Meere nicht leer zu fischen), brauchen wir auch ein
Umdenkenin der Schule und damit bei den LehrerInnen und deren Dienstrecht:
Wir brauchen keine karrieregeilen Arbeitstiere, sondern beziehungsfaehige
Menschen, die nachhaltig denken und leben und lehren.
Wir brauchen kein autoritaer von der Regierung diktiertes Dienstrecht,
sondern demokratische Strukturen an den Schulen, in denen LehrerInnen
mitbestimmen und den SchuelerInnen Mitbestimmung vorleben und lehren.

Wir von der OeLI-UG haben uns schon lange Gedanken dazu gemacht, zB.
www.oeli-ug.at/Dienstrecht.pdf (2010-2012),
www.oeli-ug.at/Dienstrechtsreform.pdf (aktuelle Stellungnahme)

Oesterreichische LehrerInnen Initiative – Unabhaengige GewerkschafterInnen
fuer mehr Demokratie, OeLI-UG, www.oeli-ug.at, a@oeli-ug.at, 0680 2124358