F. Schausberger, Politikerbezüge und -privilegien

(aus „Ins Parlament, um es zu zerstören“, Franz Schausberger, Böhlau-Verlag, 1995)
Als den Schwerpunkt schlechthin ihrer „Demonstrationsanträge und -anfragen“ (der Wiener Nazis) kann man ihr beharrliches und propagandistisch stark begleitetes Polemisieren gegen die Bezüge und Privilegien der Politiker bezeichnen. Sie forderten die Abschaffung von Diäten und Aufwandsentschädigungen für politische Mandatare sowie die Reduzierung der Bezüge der Mitglieder der Landesregierung.
Unterstützt wurden diese öffentlichkeitswirksamen Initiativen noch durch die Verpflichtung der NSDAP-Abgeordneten in allen Landtagen, auf ihren Politikerbezug zugunsten ihrer Partei zu verzichten. 
Besonders intensiv verfolgten die Nationalsozialisten das „Politikerprivilegien- Thema“ im Niederösterreichischen Landtag. Gleich in der konstituierenden Sitzung forderten sie in einem Antrag, den Bezug der Abgeordneten, der rund 475,- Schilling monatlich betrug, abzuschaffen und dafür eine Entschädigung von 30,- Schilling für jede Sitzung auszubezahlen. Auch die Entschädigung der Mitglieder der Landesregierung sollte herabgesetzt werden und für die Landesräte nur mehr 800,- Schilling, für den Landeshauptmann 1.000,- Schilling betragen. Außerdem sollten die Gehälter der Regierungsrnitglieder und der Landtagsabgeordneten für drei Monate nicht ausbezahlt und für die Winterhilfe verwendet werden. Für viele, die im Winter1932/33 große Not litten, natürlich eine äußerst populäre Forderung. Die Tatsache, daß die Mitglieder des Finanzkontrollausschusses zusätzlich zu ihrem Bezug pro Sitzung ca. 25,- Schilling erhielten, wurde von den Nationalsozialisten als „Diätenschinderei“ bezeichnet und die Abschaffung dieser zusätzlichen Entschädigung verlangt.
Natürlich waren auch die Dienstautos, die den Mitgliedern der Landesregierung zur Verfügung standen, den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Öffentlichkeitswirksam verlangten sie, die Dienstautos mit 1. August 1932 abzuschaffen. Für Dienstfahrten, aber nicht für Privat- und Parteifahrten der Regierungsmitglieder sollten ab dort insgesamt nur mehr zwei PKWs zur Verfügung stehen. Mit dieser Forderung hatten sie auch tatsächlich Erfolg. Außerdem verlangten sie die Umwandlung der Eisenbahnjahreskarte 1. Klasse für die Landtagsabgeordneten auf Karten 3. Klasse. Auch die Bezirksfürsorgeräte sollten nach Ansicht der NSDAP ihre Tätigkeit unentgeltlich ausüben und auf ihre Entschädigung, die einer „ganz und gar ungerechtfertigten Bereicherung von auch sonst schon meist gutversorgten Parteibonzen“ gleichkomme, verzichten. Wie sich später herausstellte, hatten die nationalsozialistischen Bezirksfürsorgeräte anfangs auf ihre Entschädigungen verzichtet, sie aber dann doch genommen, da die Aufwendungenzu hoch wurden. Diese Forderung wurde daher von Sozialdemokraten und Christlichsozialen abgelehnt.
Nach der „Selbstausschaltung“ des Parlaments verlangten die Nationalsozialisten im Niederösterreichischen Landtag, daß die Weiterzahlung der Entschädigungen an die Nationalratsabgeordneten sofort eingestellt werde.
Landeshauptmann Dr. Buresch sah sich immer wieder mit nationalsozialistischen Anfragen betreffend die Höhe seiner Entschädigung als Landeshauptmann, als Nationalrat und als Präsident der NEWAG und dem Vorwurf, er beziehe doppelte Gehälter, konfrontiert. Seine Erklärungen wurden einfach ignoriert und immer wieder die gleichen Vorwürfe erhoben. Sein Nachfolger als Landeshauptmann, Josef Reither, verzichtete schließlich auf Grund des ständigen Drucks seitens der NSDAP völlig auf den vom Land Niederösterreich bezahlten Bezug. Einen besonderen Angriffspunkt im Zusammenhang mit politischem Protektionsvorwurf stellte im Niederösterreichischen Landtag Heeresminister Carl Vaugoin dar. Mit der „skrupellosen Unterbringung von Parteileuten in öffentlichen Ämtern“ habe die „Protektionswirtschaft“ in Österreich einen „nie dagewesenen Höhepunkt“ erreicht. Die Nationalsozialisten kramtenweit in der Vergangenheit von Vaugoin, dem sie vorwarfen, im Jahr 1915 „weniger auf Grund seiner Vorbildung, als durch seine parteipolitische Stellung, auf merkwürdige Weise in den niederösterreichischen Landesdienst aufgenommen und weitergeführt“ worden zu sein und auch während seiner Tätigkeit als Minister das Gehalt als Landesbeamter bezogen zu haben. Landeshauptmann Buresch entkräftete die Vorwürfe und stellte auch klar, daß Vaugoin als Minister nur die um seinen Gehalt als Landesbeamter verkürzten Ministerbezüge erhalte. Der nationalsozialistische Landesrat Leopold negierte alle diese Klarstellungen und blieb bei seinen Vorwürfen, die er schließlich folgendermaßen begründete: „Mir wurde hier vorgeworfen, daß ich das Gehalt als aktiver Hauptmann beziehe und Politik betreibe. Dem setze ich entgegen, daß Ihr Parteigenosse VAUGOIN Geld vom Lande Niederösterreich nimmt und auch Politik betreibt. Das soll meine Antwort in dieser Angelegenheit sein.“ Als ihm von christlichsozialer Seite vorgehalten wurde, daß er im Gegensatz zu Vaugoin neben seinem Landesratsbezug noch den Hauptmann-Gehalt beziehe, antwortete Leopold: „Das ist ja das Schöne an der Einrichtung, daß Ihr mit Eurem System unsere Bewegung bezahlt. Ich bekomme meinen Gehalt nicht auf die Hand, sondern die Partei bekommt ihn!“
Die Christlich sozialen begannen dann Leopolds „sozialdemokratische Vergangenheit“ an das Tageslicht zu bringen, was in der damaligen Situation eine beträchtliche Sensation darstellte. Tatsächlich war Leopold von November 1918 bis Mai 1920 Soldatenrat gewesen und von Julius Deutsch zum Volkswehrleutnant ernannt worden.
Im Frühjahr 1933 brachten die Nationalsozialisten den Fall Vaugoin neuerlich in den Landtag, indem sie sich auf ein Gerücht beriefen, wonach der Heeresminister vom Landes- in den Bundesdienst überführt worden sei und zwar als Sektionschef im Staatsrechnungsdienst. Diese Anfrage wurde nicht beantwortet. Tatsächlich wurde Vaugoin erst nach seinem politischen Sturz im Herbst 1933 als General der Infanterie in den Bundesdienst übernommen.
Eine symptomatische Diskussion spielte sich im Vorarlberger Landtag im Zusammenhang mit einem Antrag der Nationalsozialisten auf Abschaffung der Bezüge für die Landesregierungsmitglieder (mit Ausnahme des Landeshauptmannes und des Landesstatthalters) ab. Daraufhin konterte der christlichsoziale Abgeordnete Dür: „In der ganzen Welt weiß man doch, daß kein Parteiführer, kein Mensch im öffentlichen Leben für sich selbst so einen Aufwand leistet, wie Ihr oberster Führer Hitler. Kein Hotel ist groß genug, kein Auto nobel genug, für Hitler ist kein Aufwand groß genug, keine Rechnung hoch genug, kein Flugzeug ist zu teuer, und auch kein Schlafwagenzug, überall von allem das Beste.” In dieser Frage assistierte sogar der sozialdemokratische Abgeordnete Linder den Christlichsozialen, dessen Partei gar nicht in der Landesregierung vertreten war und daher durchaus für die populäre Nazi-Forderung eintreten hätte können: „Da oben steht Ihr oberster Götze, den beten Sie an, der darf mit dem Flugzeug fahren.“ Er lehnte die Forderung der Nationalsozialisten aus sachlichen Gründen ab und nicht, weil es „Liebesverhältnisse zwischen der christlichsozialen Partei und der sozialdemokratischen Partei gibt.“ Die Nationalsozialisten taten sich in ihrer Replik schwer: „Wenn unser Führer Adolf Hitler wie die anderen Herren in einem Hotel absteigt, spielt es keine Rolle, ob das Hotel groß oder klein ist. Auf alle Fälle bezahlt er aus der eigenen Tasche. ..Wenn man einen Führer einer Volksbewegung, die Millionen umfaßt, dem Deutschland verdanken kann, daß der Bolschewismus nicht Herr geworden ist, wenn man dem ein Auto vorenthält, möchte ich schon sagen, daß er das aus seiner schriftstellerischen Tätigkeit und nicht aus Parteigeldern bezahlt hat. Es waren das seine eigenen Gelder.“ Für diesen krampfhaften Versuch, Hitler von den Politikern des „Systems“ abzuheben, erntete der NS-Abgeordnete Gunz nur Gelächter. Darüber hinaus forderten die beiden NS-Abgeordneten im Vorarlberger Landtag gleich in der ersten Sitzung die Reduzierung der Zahl der Landesregierungsmitglieder auf zwei und nannten die Ablehnung dieser Forderung durch die anderen Parteien einen „ersten Terrorakt“ gegen die NSDAP.