Entschädigung für Naziopfer (Distomo) Bernhard Thiesing

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leute,

im Anschluss an meine E-Mail vom 24. Oktober 2014 zum Urteil des italienischen Verfassungsgerichts nachfolgend ein Gastbeitrag des Potsdamer Juraprofessors Andreas Zimmermann aus der gestrigen F.A.Z. (2). Der Mann gehört zu jener Sorte „blinder Juristen“, die das Völkerrecht „weiterentwickeln – frei nach Goethes bekanntem Satz: ‚Im Auslegen seid frisch und munter, legt ihr nicht aus, so legt was unter.“  (Norman Paech).

Vgl. auch Paech, Die Opfer gehen leer aus (http://www.sopos.org/aufsaetze/4f4206cd8823a/1.phtml.

Außerdem eine Pressemitteilung von Ulla Jelpke (MdB Partei Die Linke) vom 23. Oktober 2014 (1) sowie eine Agenturmeldung vom folgenden Tag mit der kaltschnäuzigen Reaktion der Bundesregierung, wie sie sich so oder ähnlich in den meisten deutschen Mainstreammedien wiederfand (3).

Zu guter Letzt noch eine aktuelle griechische Stimme (4) – mit Dank an Anna S.

Beste Grüße und ein schönes Wochenende

Bernhard (Thiesing)

(1) Ulla Jelpke: Italien – NS-Opfer können wieder gegen Deutschland klagen

From Presse DIE LINKE. pressesprecher@linksfraktion.de

23. Oktober 2014

Pressemitteilung von Ulla Jelpke

 Italien: NS-Opfer können wieder gegen Deutschland klagen

„Die Versuche der Bundesregierung, die Entschädigungsforderungen von NS-Opfern zu unterdrücken, sind krachend gescheitert“, resümiert die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, eine Entscheidung des italienischen Verfassungsgerichts. Dieses hat die Zuständigkeit der italienischen Justiz für Entschädigungsklagen gegen Deutschland bekräftigt. Jelpke weiter:

„Deutschland ist mit seiner Entschädigungsverweigerung im Unrecht. Ich beglückwünsche die italienischen NS-Opfer, denen der Klageweg gegen die Bundesregierung wieder eröffnet wurde. Das war zeitweise nicht möglich, nachdem der Internationale Gerichtshof auf Begehren Deutschlands vor über zwei Jahren solche Verfahren als Verletzung der sogenannten Staatenimmunität zurückgewiesen hat. Daraufhin hatte die italienische Regierung die Zuständigkeit der Justiz für derartige Fälle entzogen. Diese Regelung wurde nun gekippt. Das italienische Verfassungsgericht hat nun klargestellt, dass die sogenannte Staatenimmunität nicht bei schwersten Kriegsverbrechen gilt.

Die Bundesregierung hat sich über Jahrzehnte hinweg ihrer Verantwortung für die NS-Opfer entzogen. Bis heute lehnt sie es ab, die Opfer von Deportationen und Massakern durch deutsche Besatzungstruppen zu entschädigen. Damit zwingt die Bundesregierung die NS-Opfer, ihre berechtigten Ansprüche vor Gericht durchzusetzen. In Italien sind bereits Urteile in Höhe von mehreren Millionen Euro gefällt worden. Wenn die Bundesregierung weiterhin nicht zahlt, ist mit der Beschlagnahmung deutschen Staatseigentums in Italien zu rechnen. Es wird jetzt endgültig Zeit, dass die Bundesregierung auf Italien und die NS-Opfer zugeht und ihnen angemessene Entschädigungen anbietet.“

(2) Regierung: Klagen wegen NS-Verbrechen gegen Deutschland unzulässig

– Außenamt prüft Urteil des italienischen Verfassungsgerichts

Berlin, 24. Oktober (AFP) – Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft können nach Auffassung der Bundesregierung weiterhin keine Schadenersatzansprüche gegenüber der Bundesrepublik Deutschland geltend machen. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag habe in einem Urteil vom 3. Februar 2012 festgestellt, dass es auch für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit keine Ausnahmen von der Staatenimmunität gebe, sagte die stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amts, Sawsan Chebli, am Freitag in Berlin. Darauf gestützte Klagen gegen die Bundesrepublik vor Gerichten anderer Staaten seien folglich „völkerrechtlich unzulässig“.

Die Außenamtssprecherin reagierte damit auf ein Urteil des italienischen Verfassungsgerichts vom Mittwoch. Dies hatte entgegen der Haltung des Haager Strafgerichtshofs befunden, dass NS-Opfer Deutschland vor Zivilgerichten auf Schadenersatz verklagen können. Das Prinzip der Staatenimmunität, das solche Klagen eigentlich ausschließt, gelte nicht „für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, befanden demnach die römischen Richter.

Das Außenamt prüft nach Angaben Cheblis das italienische Urteil. Der Haager Gerichtshof habe aber seinerzeit mit seinem Urteil die Rechtsauffassung der Bundesregierung „vollumfänglich bestätigt“, hob sie hervor. „An dieser Rechtsauffassung hat sich nichts geändert.“

(3)Roms Rechtsbruch

„Das italienische Verfassungsgericht bedient sich eines wenig überzeugenden Kunstgriffs, indem es zunächst die Kompetenz des IGH anerkennt.“

Von Andreas Zimmermann

„Jedes Mitglied der Vereinten Nationen verpflichtet sich, … die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs zu befolgen“ – mit diesen eher dürren Worten umschreibt Artikel 94 der UN-Charta eine der wesentlichen Errungenschaften des modernen Völkerrechts: die Anerkennung der Herrschaft des Völkerrechts und die Pflicht, Urteile internationaler Gerichte umzusetzen. Es ist dieser eherne Grundsatz, der durch das italienische Verfassungsgericht am 22. Oktober 2014 fundamental in Frage gestellt wurde. Hintergrund ist die frühere Praxis italienischer Gerichte, Klagen wegen von Deutschland während des Zweiten Weltkriegs begangener Kriegsverbrechen zuzulassen. Nachdem es in Italien zu ersten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen deutsches staatliches Vermögen gekommen war, hatte Deutschland 2008 vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) geklagt. Mit 12:3 Stimmen gelangte der zu dem Ergebnis, dass sich ein Staat selbst dann auf seine Staatenimmunität berufen kann, wenn wie vorliegend, Kriegsverbrechen Gegenstand der Verfahren sind. In geradezu mustergültiger Weise hatte Italien dieses Urteil des IGH umgesetzt. Nunmehr hat aber das Verfassungsgericht dieses Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Es wendet sich damit diametral sowohl gegen den IGH als auch gegen den Vorrang des Völkerrechts als solchen. Die Corte constituzionale liegt damit auf einer Linie mit dem amerikanischen Supreme Court.

Das italienische Verfassungsgericht bedient sich eines wenig überzeugenden Kunstgriffs, indem es zunächst die Kompetenz des IGH anerkennt. Die Gewährung von Staatenimmunität im Falle schwerer Völkerrechtsverstöße durch italienische Gerichte sei aber von der italienischen Verfassung verboten. Dem liegt eine überholte Sicht zugrunde, die das nationale Recht und das Völkerrecht streng voneinander scheidet. Zum einen führt ferner die Gewährung von Staatenimmunität ja keineswegs, wie vielfach übersehen, zum Verlust materieller Ansprüche. Vielmehr können diese jederzeit auf dem Wege der Ausübung diplomatischen Schutzes durch den jeweiligen Heimatstaat geltend gemacht werden. Zudem hatten die italienischen Kläger bereits vor deutschen Gerichten Rechtschutz erlangt und waren nur nicht mit der Behauptung durchgedrungen, im Falle von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht bestünden individuelle Schadenersatzansprüche. Diese Auffassung der deutschen Gerichte war später vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gebilligt worden. Im Januar 2014 hat der EGMR zudem, dem IGH folgend, die Einräumung von Staatenimmunität, selbst im Falle von Folter, als menschenrechtlich zulässig angesehen. Einmal mehr belegt dies die Probleme, die sich fast schon zwangsläufig ergeben, wenn nationale (Verfassungs-)Gerichte sich auch in Grundrechtsfragen allzu sehr von einer nationalen Sicht der Dinge leiten lassen. Auch das angeführte Beispiel der Überprüfung bindender Beschlüsse des Sicherheitsrates durch den EuGH am Maßstab der EU-Grundrechte im Fall Kadi kann nicht überzeugen. Anders als im Fall Kadi geht es hier gerade nicht um die gerichtliche Kontrolle eines politischen Organs, sondern um die Überprüfung der Urteile des IGH am Maßstab nationalen Rechts.

Was kann Deutschland jetzt tun? Die evidente Möglichkeit der Befassung des Sicherheitsrates, der nach der UN-Charta damit beauftragt ist, für die Durchsetzung der Urteile des IGH Sorge zu tragen, erscheint gegenüber einem EU-Partnerstaat kaum angezeigt. Vielmehr kommt stattdessen in Betracht, den IGH abermals zu befassen, sei es im Kontext der Auslegung des ursprünglichen Urteils, sei es im Rahmen eines neuen Verfahrens, in dem die Feststellung der Völkerrechtswidrigkeit des italienischen Urteils begehrt wird. All dies in der Hoffnung, dass Italien diesen Völkerrechtsverstoß aus dem Weg räumt.

Professor Dr. Andreas Zimmermann ist Inhaber eines Lehrstuhls für Völker- und Europarecht an der Universität Potsdam und Direktor des dortigen Menschenrechtszentrums.

Erschienen in der Printausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 30. Oktober 2014, Seite 6
http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/kriegsverbrechen-13237393.html

(4)  http://mignatiou.com/2014/10/ta-egklimata-ton-nazi-ke-i-apozimiosis/

 

Τα εγκλήματα των ναζί και οι αποζημιώσειςΤου ΧΑΡΑΛΑΜΠΟΥ ΑΝΘΟΠΟΥΛΟΥ Το Διεθνές Δικαστήριο της Χάγης στην απόφασή του της 3ης Φεβρουαρίου 2012 στην υπόθεση Γερμανία κατά Ιταλίας, στην …

 

Das Foto zeigt den Vorsitzenden des Nationalrats für die Einforderung der Kriegsschulden Deutschlands gegenüber Griechenland, Manolis Glezos. Als 18-jähriger Student holte er mit einem Freund die Hakenkreuzfahne von der Akropolis herunter und wurde deswegen in Abwesenheit zum Tod verurteilt. Heute sitzt er für die Linksallianz Syriza im Europaparlament – mit 92 Jahren das älteste Mitglied des Hauses.