Bernhard Redl: Es war einmal die KPOe

Mit der Gruendung der PdA erscheint die endgueltige Spaltung
unaufhaltbar
*

Die Wahlen sind vorbei, das Hauen und Stechen beginnt. Nicht nur bei
so mancher Parlamentsfraktion, sondern auch bei der KPOe. Trat sie im
Nationalratswahlkampf trotz der grossen Risse in der Partei nach
aussen hin einigermassen geschlossen auf, so muss man damit rechnen,
dass das vielleicht das letzte Mal gewesen sein koennte.

Seit Jahren gaert es in der Partei. Die steirische Landesorganisation
verkehrt schon seit laengerem nicht mehr mit der Bundespartei und der
Wiener Landesorganisation. Die Kommunistische Jugend und der
Kommunistische StudentInnenverband haben ihre Bundeszentralen nach
Graz verlegt, die Jugend- und die Studierendenorganisation der
Bundes-KPOe firmieren nun unter Junge Linke und KSV-LiLi.

Die steirische Landesorganisation unterstuetzt schon seit laengerem in
Wien die Kommunistische Initiative (KI) resp. deren AK-Praesenz mit
dem (vielleicht ironisch, vielleicht programmatisch gemeinten) Namen
KOMintern. Letztere will nach den anstehenden Wahlen neben Wien auch
in den Arbeiterkammern von NOe und Tirol vertreten sein.

Am Samstag wurde die KI zur „Partei der Arbeit“. Otto Bruckner, der
bisher schon bei der KI das Sagen gehabt hatte, wurde mit 98% der
Stimmen zum ersten Vorsitzenden der neuen Partei gewaehlt. Die
Gaesteliste des Parteitags ist symptomatisch fuer den Kurs der neuen
Partei. Die Eingeladenen aus dem Ausland waren von den eher als
orthodox-marxistisch bekannten Parteien DKP (Deutschland), Munkáspárt
(Ungarn), TKP (Tuerkei), PCPE (Spanien) und KKE (Griechenland). Mit
Ausnahme der KKE haben diese Parteien in ihren Laendern weniger
Bedeutung als die Bundes-KPOe in Oesterreich. Mehr Bedeutung hatten
allerdings die oesterreichischen Gaeste: Mitglieder der Landesleitung
der bekannt erfolgreichen steirischen KPOe sowie des KSV und der KJOe.

Einheitspartei auf dem Papier

Wenn Landes- und Vorfeldorganisationen einer Partei in anderen
Bereichen eine Partei unterstuetzen, die mit der eigenen
Bundesorganisation konkurriert, kann man wohl von einer damit
endgueltig vollzogenen Parteispaltung sprechen. Es gibt DIE
Kommunistische Partei Oesterreichs einfach nicht mehr — die Einheit
steht nur mehr auf dem Papier. Konnte man frueher noch behaupten, dass
dies der so typisch oesterreichische Konflikt zwischen Wiener
Wasserkopf und steirischem Sturschaedel sei (wie das ja auch aus
anderen Parteien bekannt ist), so werden hier eindeutig ideologischen
Bruchlinien nicht nur sichtbar sondern zu magmagefuellten Erdspalten,
die unueberbrueckbar scheinen.

Symptomatisch dafuer ist auch eine kurz nach der Nationalratswahl und
wenige Tage vor der PdA-Gruendung veroeffentlichte Analyse aus den
Reihen der steirischen KPOe. Nach allgemeinen Betrachtungen ueber die
Verschiebungen der Kraefteverhaeltnisse im Parlament und dem
respektablen Abschneiden der steirischen KPOe folgt ein auf Wien und
Bund gemuenzter letzter Absatz: „Es zeigt sich auch, wie dringend
noetig eine bundesweit handlungsfaehige Kommunistische Partei ist. Von
elitaeren Zirkeln gefuehrte Debatten ueber Residenzbuergerschaften und
ein Bedingungsloses Grundeinkommen sind fehl am Platz. Es braucht eine
Partei mit Gebrauchswert im taeglichen Leben. Es braucht klare,
nachvollziehbare Antworten bei zentralen Fragen wie etwa Wohnen und
Teuerung. Und es braucht klare grundsaetzliche Haltungen: Ja zu
oeffentlichem Eigentum! Nein zur EU! Und ja zu einem Einkommen, von
dem man leben kann.“ (1)

In Internetforen wird dieses Statement heftig diskutiert. Von Seiten
mancher KPOe-Mitglieder kommt die Frage, was an Buergerrechten oder
einer fundamentalen sozialen Absicherung fuer alle hier lebenden
Menschen so elitaer sein soll — oder auch, wieviel Gebrauchswert es
darstellt, wenn die Grazer Stadtraetin Kahr analog zur FPOe mehr
Polizisten fuer ihre Stadt fordert.

Viele Ursachen

Tatsaechlich ist ein Teil der Differenz wohl auch der Tatsache
geschuldet, dass die steirische KP in vielen Gemeinden und ansatzweise
auch im Landtag Realpolitik betreiben muss, waehrend sich Bundes- und
Wiener KPOe mit fundamentalen Forderungen Oeffentlichkeit erkaempfen
muessen. Auch kann der steirischen KPOe als Regionalpartei die
EU-Ebene egal sein, waehrend sie fuer die Bundespartei als
Kooperationsbasis mit staerkeren Parteien relevant ist.

Der Konflikt geht aber tiefer: Die Debatte erinnert sehr an die
Auseinandersetzung in der KPOe 1968/69 zwischen der Gruppe um den als
elitaer denkend angesehenen Ernst Fischer (und damit auch der heutigen
akin-Herausgeberin) und der Mehrheit der Parteifuehrung — nur diesmal
mit umgekehrten Vorzeichen. Denn diesmal wird der Bundesparteifuehrung
elitaeres Denken vorgeworfen, waehrend sich die Dissidenten als die
wahren Kommunisten auf Seiten des arbeitenden Volkes sehen.

Auch der Name der neuen Partei ist programmatisch: Eine Partei der
Arbeit, die eben diese als besonders schuetzenswert ansieht und ein
vernuenftiges Arbeitseinkommen fordert, kann natuerlich nicht fuer ein
erwerbsloses Grundeinkommen sein. Der PdA-Chef Bruckner nannte die
Haltung der Bundesparteifuehrung in einem kuerzlich in der „jungen
Welt“ erschienen Interview als von einer „klassenneutralen
Allerwelt-Orientierung“ gepraegt (2).

Ein weiterer Diskussionspunkt war aber natuerlich auch die Haltung bei
der Bundesheer-Volksbefragung: Waehrend die Bundes-KPOe klar eine
Abschaffung der Militaers forderte (und Ungueltigstimmen als gute Idee
ansah), rief die steirische KP zur Unterstuetzung der Wehrpflicht auf.
In der Frage des Verhaltens bei dieser Volksbefragung war zwar die
gesamte oesterreichische Linke gespalten, der Grossteil allerdings
nur, weil man sich vor der Wahl zwischen Pest und Cholera sah — der
steirischen KPOe hingegen duerfte der Volksheergedanke und der Glauben
an die Wehrpflicht als Bollwerk fuer die Neutralitaet und gegen die EU
und wichtig gewesen sein.

Schweigen aus Wien

Die Bundesparteifuehrung hingegen tut zumeist so, als ginge sie die
nun faktisch vollzogene Spaltung der Partei nichts an. Man hat den
Eindruck, als wolle die Bundes- und Wiener Partei das Geschehen
einfach ignorieren, weil man die Steirer wie die PdA sowieso als
„Stalinos“ und die Diskussion als nicht moeglich erachte. Die uebrigen
Landesorganisationen scheinen eher unentschieden. Dem Vernehmen nach
fragt man sich vor allem in Westoesterreich eher, was die Streiterei
im Osten eigentlich soll.

Die Graeben sind tief. 2018 stehen — sollte die Legislaturperiode
durchgehalten werden — wieder Nationalratswahlen an. In diesem Jahr
wuerde die Partei auch 100 Jahre ihrer Existenz feiern. Was dann
allerdings noch davon uebrig sein wird, ist eine andere Frage.

*Bernhard Redl*

(1) http://www.kpoe-steiermark.at/hoffnungslos-aber-nicht-ernst.phtml

(2) http://www.jungewelt.de/2013/10-12/038.php

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Nachbemerkung der Redaktion: Nach dem dieser Text schon vorab auf dem
Blog veröffentlicht worden war, gab es auf Facebook eine heftige
Diskussion darüber. Die akin würde sich freuen, auch in abdruckbaren
Leserbriefen erklärt zu bekommen, was an der Sichtweise des Autors
falsch ist.

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