B.Redl (akin): Indymedia will nicht mehr

„Beim Indymedia-Treffen am 19.6.2012 wurde beschlossen, mit 30.6.2012
die Plattform at.indymedia.org abzuschalten und das Projekt
einzustellen. Eine ausfuehrliche Erklaerung, wieso wir zu dieser
Entscheidung gekommen sind, werden wir bis dahin formulieren. Wir
haben uns dafuer eingesetzt, dass es eine offene und unabhaengige
Medienberichterstattungsplattform mit emanzipatorisch-politischer
Ausrichtung gibt. Es ist schade und auch sehr problematisch, wenn es
keine solchen Plattformen mehr gibt. Wir hoffen allerdings, dass sich
Energien, Motivationen und Menschen fuer neue derartige Projekte
finden.“

Mehr war bislang auch auf Anfrage nicht zu erfahren. Die
oesterreichische Tranche des internationalen Open-Posting-Netzwerks
soll es nicht mehr geben — vermutlich wegen zu wenig Beteiligung an
der Verwaltung der Site. Denn das Indymedia Center Austria wird jetzt
nicht zum erstenmal in seiner elfjaehrigen Geschichte geschlossen.
Waren es 2003/2004 noch heftige On- und Offline-Auseinandersetzungen
zum Reizthema Palaestina-Israel, die zu einer Schliessung und
spaeteren Neuformation des Portals fuehrten, kam es bereits 2007 wegen
mangelnder Beteiligung am Projekt zu einem Aussetzungsbeschluss.

Hintergrund dessen ist sicher auch, dass Indymedia-Center generell mit
dem Aufkommen der kommerziellen Social Media Sites und einer
Vereinzelung auf Blogs immer weniger Interesse hervorrufen. Speziell
Indymedia Austria forderte aber Artikel, die extra fuer die Site
geschrieben wuerden. Eine Zeitlang wurden nur gnadenhalber Texte aus
anderen Medien akzeptiert und es war kaum moeglich, dort Blogbeitraege
aus anderen Quellen zu posten — da fuer das Medium selbst aber
heutzutage kaum mehr eigene Beitraege geschrieben wurden (eine
Entwicklung, mit der sich die meisten alternativen Vernetzungsmedien
konfrontiert sehen), war in bestimmten Phasen des Projekts kaum mehr
interessanter Inhalt vorhanden.

Das Kollektiv hinter der Site sah sich aber vor allem in den letzten
Jahren auch immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, seine
informellen Moderations- resp. „Zensur“-Kriterien weniger an Fragen
der Qualitaet der Beitraege sondern eher an einer sehr engen
politischen Diskussionsbandbreite zu orientieren. Waehrend schlecht
formulierte und inhaltlich kaum mit Fakten belegte Pamphlete
akzeptiert wuerden, weil sie dem Verstaendnis des Kollektivs von
politischer Korrektheit entsprechen duerften, wuerde anderes sehr
schnell als „Trollposting“ deklariert und entfernt — so eine haeufig
zu hoerende Kritik. Das Kollektiv selbst rief zwar immer wieder dazu
auf, man moege sich doch an der Moderationsarbeit beteiligen,
signalisierte aber leider kaum, dass es sich fuer breitere
Diskussionen oeffnen wollte. Auch das trug wohl dazu bei, dass das
Interesse an der Mitarbeit erlahmte.

Was blieb, war das Konsuminteresse breiter Schichten des linken
Publikums, das sich nun aber nicht mehr mit Indymedia identifizierte,
sondern nur hie und da auf der Site vorbeischaute, was es denn Neues
gaebe. Dass das natuerlich das Enagement des Kollektivs nicht
sonderlich befoerderte, war wohl klar.

Wie gesagt, da es bislang keine Begruendung des Kollektivs fuer das
Abschalten gibt, ist man auf Einschaetzungen und Vermutungen
angewiesen. Eine Stellungnahme wurde fuer diesen Donnerstag
angekuendigt, diese wird aber, so wirklich am Samstag komplett
abgeschaltet wird, wohl nicht laenger als 2 Tage online sein.
*Bernhard Redl*

Link (zumindest bis 30.6.): https://at.indymedia.org/