Anton Holberg, 16.5.2013: Thesen

Ich möchte meinen Beitrag zur Diskussion der Kürze halber als Thesen formulieren.

1. Das Assad-Regime ist ein bürgerliches und zudem ein diktatorisches. Bereits sein bürgerlicher Charakter sollte für Arbeiterklasse orientierte Linke ausreichen, seinen Sturz zu fördern.

2. Der Aufstand in Syrien war und ist weitestgehend ein „Volksaufstand“.

3. Es gibt keinen ernsthaften Hinweis darauf, dass im o.a. Sinn revolutionäre linke Kräfte in ihm eine nennenswerte Rolle spielen. Stattdessen, und ganz wesentlich auch deshalb, haben insbesondere im Zuge seiner Militarisierung sozialreaktionäre Kräfte zunehmend eine führende Rolle eingenommen. Jihadistische Kräfte von Art der Jabhat an-Nusra sind dabei nur deren Speerspitze.

4. Die Frage, wie weit und in welcher Form diese Kräfte von imperialistischer Seite und von Seiten anderer regionaler Verbündeter des Imperialismus unterstützt werden, ist dabei sekundär gegenüber ihren gesellschaftspolitischen Programmen für Syrien selbst, denn auch das Baath-Regime ist weder Willens noch in der Lage mit dem Imperialismus zu brechen, auch wenn es zeitweilig mit der einen oder anderen imperrialistischen Macht Konflikte haben mag. Sein Antiimperialismus ist ebenso konjunkturell wie der Antiimperialismus seiner islamistischen Konkurrenten.

5. Gegenüber den islamistischen Kräften, die in Syrien heute tätig sind, stellt das Baath-Regime eine fortschrittlichere Variante bürgerlicher Herrschaft dar.

6. Eine friedliche Lösung der aktuellen Krise in Syrien ist nur denkbar auf Basis einer militärischen Niederlage einer der beiden Konfliktparteien oder Ermüdung beider.

7. Da das Regime a. gegenüber den islamistischen Kräften das geringere Übel ist und b. die Opposition als Ganze keine Gemeinsamkeit über den Sturz des Regimes hinaus und kein Programm für eine alternative Entwicklungsstrategie hat, würde ihr – im übrigen zunehmend unwahrscheinlicherer – militärischer Sieg Syrien keine Stabilität bieten können, sondern vermutlich den Bürgerkrieg mit neuen Fronten verlängern. Deshalb ist ein militärischer Sieg des Regimes die wünschenswertere Alternative, zumal es in diesem Fall Grund zu der Hoffnung gibt, dass das Regime aus seiner beinahe tödlichen Krise eher zu lernen in der Lage ist als islamistische und insbesondere jihadistische Kräfte. Das Regime, das sich zwar heute vor allem auch militärisch zunehmend auf den alawitischen Teil seiner Basis stützt, ist zweifellos im Kern sekular, auch wenn es durchaus bereit ist, konfessionalistische und regionalistische Kräfte zur eigenen Verteidigung und damit notwendigerweise auch auf Seiten der Opposition zu instrumentalisieren und zu stärken. Als ein Regime, das sich zu einem guten Teil auf eine konfessionelle Minderheit stützt, wird es aber vermutlich nach der Erfahrung dieses jüngsten Bürgerkrieges alles unternehmen, um seine Basis zu verbreitern. Man sollte nicht denken, dass ein Regime, das Syrien seit einem halben Jahrhundert regiert, aus lauter fanatischen Schwachköpfen besteht.

8. Die Lieferung von Waffen an linksrevolutionäre Kräfte wäre eine gute Idee, wenn diese damit etwas Sinnvolles anfangen könnten. Sinnvoll wäre dann ein Zweifrontenkrieg gegen das Regime und die militärisch relevanten Kräfte der heutigen im weitesten Sinne bürgerlichen Opposition. Nichts deutet darauf hin.