akin: Asyl/EU – Festungsmauern Europas werden noch hoeher („Triton“, Melilla)

Asyl/EU:

 > Festungsmauern Europas werden noch höher

 „Triton“ ersetzt „Mare Nostrum“, Guardia Civil beschäftigt Europarat

Die italienische Operation „Mare Nostrum“ ist ein höchst zwiespältiges Projekt. Einerseits wurden durch diese militärische Operation Italiens binnen Jahresfrist über 130.000 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gefischt, so zumindest die offiziellen Zahlen. Zum anderen brachte diese Operation Menschen auch erst in Seenot, weil sich die Mannschaft der Boote nicht aufbringen lassen wollte — wieviele „Gerettete“ besser dran gewesen wären, wenn sie nicht von Kriegsschiffen aufgenommen und dann in Flüchtlingslager gebracht worden wären, läßt sich schwer abschätzen. In derselben Zeit starben — auch nach schwer überprüfbaren Zahlen — mehr als 3.000 Menschen bei dem Versuch Europa auf dem Weg über das Meer zu erreichen.

Doch „Mare Nostrum“ soll mit Ende Oktober eingestellt werden, da die italienische Regierung sich ohne Unterstützung anderer europäischer Staaten für außerstande erklärt, diese Operation weiter zu finanzieren.

Nun soll eine Operation der EU-Grenzschutzagentur Frontex mit Namen Triton, zeitweise auch Frontex Plus genannt, als Ersatz eingesetzt werden. Die aktuell diskutierten Pläne lassen das Schlimmste befürchten: Statt mehr Seenotrettung droht ein noch stärkerer Fokus auf Grenzkontrolle und Abwehr.

Die Finanzierung der Operation Triton soll deutlich unter den für die italienische Operation verausgabten Mitteln liegen. Nach Angaben von Frontex sollen sich die Kosten auf rund 2,8 Millionen Euro monatlich belaufen. Mare Nostrum hatte ein monatliches Budget von ca. 9 Millionen Euro.

Schiffe, Hubschrauber, Personal und Technik für Mare Nostrum wurden von der italienischen Marine und Küstenwache gestellt. Frontex hat jedoch kein eigenes Gerät und hat daher die EU-Mitgliedsstaaten gebeten, dieses zur Verfügung zu stellen.

Während Mare Nostrum bis in die libyschen Gewässer Aktionen vornahm, soll Triton nur Gebiete nahe der italienischen Küste abdecken: im Fokus stehen hier die Pelagischen Inseln, die Gewässer entlang der südöstlichen Küste Siziliens, sowie nahe Apuliens und Kalabriens, wo Teile der Ionischen See und der Adria abgedeckt werden. Triton wird in der Regel nur bis etwa 30 Seemeilen vor der italienischen Küste und vor Lampedusa patrouillieren.

Dadurch, daß das Operationsgebiet drastisch verkleinert wird, befürchtet die deutsche NGO „Pro Asyl“ noch mehr Tote als absehbare Folge.

Mare Nostrum war vorrangig als eine Seenotrettungsoperation konzipiert. Die Rettung von Flüchtlingen ist bei Triton nur noch ein Nebeneffekt. Die deutsche Bundesregierung drückt dies so aus: Triton sei eine Operation zum Schutz und zur Überwachung der Außengrenzen die auch „Kapazitäten zur Seenotrettung“ hat. Deutlicher ist dort Frontex selbst: Laut Interimsdirektor Gil Arias bestehe ein „fundamentaler Unterschied“ zwischen Triton und Mare Nostrum. Während letztere eine „Such- und Rettungsoperation“ sei, fokussiere Triton auf „Grenzkontrollen“.

Was passiert derzeit in Melilla?

Eine andere Möglichkeit, von Afrika aus auf das Territorium der EU zu kommen, ist die spanische Exclave Melilla. Kaum ein Tag vergeht, wo es nicht neue Berichte über Mißhandlungen an der Grenze Melillas gibt. Tag für Tag versuchen Menschen von Marokko aus über die 6 Meter hohen doppelten Sperranlagen zu kommen. Wer es bis auf den inneren Zaun schafft, ist mit der Brutalität der Guardia Civil konfrontiert. Zum Teil werden die Menschen von dieser militärischen Polizeitruppe vom Zaun geholt, manchmal fällt da auch so einer ein paar Meter tief. Manchmal kommen die Flüchtlinge auch heil am Boden an — doch dann kann es ihnen passieren, daß die spanischen Beamten sie fertigmachen und wieder auf die andere Seite tragen. Was danach mit ihnen geschieht, ist oft unklar. Es gibt Gerüchte über Tote und Schwerverletzte — vernünftige Informationen über die Menschen, die wieder in Marokko gelandet sind, sind auch für Hilfsorganisationen und Presseleute, die nur auf der spanischen Seite und aus größerer Distanz das Geschehen filmisch dokumentieren können, kaum ermittelbar.

Immerhin waren die Berichte über Zwischenfälle am 14.Oktober so gewichtig, daß sich jetzt auch Nils Muiznieks, der Menschenrechtskommissar des Europarats eingeschalten hat. In einer Aussendung meinte er:

„Die gestrigen Ereignisse in Melilla, wo die Guardia Civil mehrere Migranten mit Gewalt nach Marokko zurückgebracht hatte, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, über ihre Bedürfnisse zu reden oder um Asyl anzusuchen, sind eine verstörende Illustration der Mängel in Spaniens Umgang mit Migranten in seinen Exklaven.

Wenn Migranten ein Land erreichen, das Mitglied des Europarates ist, haben die Behörden die Pflicht, ihre Situation individuell zu überprüfen und ihnen zu erlauben um Asyl anzusuchen. Es ist ungesetzlich, sie einfach zurückzubringen. Spanien hat versagt bei der Aufrechterhaltung seiner internationalen Verpflichtungen auf diesem Gebiet und traurigerweise ist dies nicht das erste Mal.

Um diese Situation zu verbessern ist es nötig, dass eine Untersuchung festellt, wer die Verantwortung für die Polizeigewalt übernimmt. Klare Anweisungen müssen zukünftige Gewalt vermeiden und die derzeitige Praxis des Zurückschickens beenden.

Migrationsströme sind sicher eine Herausforderung für die Länder Europas, aber das rechtfertigt keine Grenzkontrollen, die die Menschenrechts-Standards missachten.“

Dieses Statement ist insofern beachtlich, da der Europarat verantwortlich war für die Verabschiedung der Europäischen Menschenrechtskommission und generell für die Weiterentwicklung von Menschenrechtsstandards in Europa ist. Ob das die Verantwortlichen in der EU tangiert, bleibt abzuwarten.

(Pro Asyl, boukal.at, u.a. / akin)

 Infos zu Triton:

http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/europas_schande_triton_und_mare_nostrum_im_vergleich/

 Viele weiterführende Links finden sich auch auf Wikipedia:

http://de.wikipedia.org/wiki/Mare_Nostrum_%28Marineoperation%29

 Blog zu Melilla: http://www.boukal.at/blog/