A.Holberg, 2.3.2014: Thesen zur Ukraine

1. Im Konflikt um die Ukraine stehen sich bürgerliche Kräfte in Kiev und in Moskau gegenüber, das Regime in Kiev gelenkt oder zumindest taktisch unterstützt durch den mit Moskau konkurrierenden westlichen Imperialismus.

2. Die imperialististischen Mächte des Westens (insbesondere USA und EU) sind die Schrittmacher dieses Konfkliktes, denn ihr Interesse zielt auf die Rückdrängung Russlands im internationalen Maßstab ab. Es wurde bereits vermutet, dass es dabei auch darum gehe, den Hafen von Sevastopol in die Hand zu bekommen, damit die russische Schwarzmeerflotte lahmzulegen und sie am Auslaufen zum syrischen Hafen von Tartous zu hindern.

3. Die Ukraine ist in ihrer staatlichen Integrität bedroht – ursächlich von den führenden Kräften der Maidan-Revolte. Unabhängig von nicht nur möglichen, sondern sicher auch weitverbreiteten russisch-chauvinistischen Motiven, hat die Entscheidung der neuen ukrainisch-chauvinistischen Machthaber in Kiev, das bis dahin bestehende Gesetz zur Gleichberechtigung des Russischen als offizielle Sprache in den mehrheitlich russisch-besiedelten Teilen der Ukraine zu widerrufen, die Verpflichtung der russischen Bürger des Landes auf die Wahrrung der staatlichen Integrität automatisch aufgehoben. In den mehrheitlich russischen Gebieten wurde deshalb bereits von den dortigen russischen „Selbstverteidigungskräften“ das Russische wieder zur offiziellen Sprache erklärt, aber glücklicherweise, ohne nun umgekehrt dem Ukrainischen diesen Status dort zu entziehen.

4. Die Maidan-Bewegung war auf der Ebene der Massen völlig legitim insofern sie sich gegen Korruption und Verarmung richtete. Leider sind die „Massen“ aber wieder einmal nicht in der Lage, eigene positive Ziele zu formulieren, und deshalb erwartungsgemäß wieder einmal zum Fußvolk ultrantionalistischer und in vielen Fällen offen faschistischer und antisemitischer Kräfte geworden. Dass das die westlichen Unterstützer der Bewegung nicht sonderlich gestört hat, ist übrigens ein interessanter Hinweis darauf, dass ihr Prozionismus wenig mit einer authentischen Haltung gegen Antisemitismus zu tun hat.

5. Eine Linke, die nicht nur der linke Wurmvorsatz der herrschenden Bourgeoisie ist, hat unter Klassengesichtspunkten nicht zwischen Kiev und Moskau zu wählen. Das aber bedeutet nicht, in der aktuellen Auseinandersetzung neutral zu bleiben. Die Linke muss sich durchaus auch zur Welt verhalten, wie sie leider gerade ist. Deshalb gilt es,  das Recht des russischen Staates anzuerkennen, die Rechte der ihm zuneigenden russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine gegenüber dem Versuch ihrer Entrechtung durch die neuen Machthaber in Kiev zu verteidigen. Dabei sollten die mit den Rechten der Werktätigen nichts zu tun habenden Motive der russischen Bourgeoisie durchaus benannt werden. Wir treten grundsätzlich für die Einheit der multinationalen Arbeiterklasse ein. Diese Einheit kann jedoch nur eine freiwillige sein. Deshalb verteidigen wir das – im übrigen bislang von „Moskau“ nicht in Frage gestellte – Recht der Ukrainer auf einen eigenen Staat, möge uns dessen innere Verfassung auch noch so zuwider sein. Aber ebenso verteidigen wir das Recht, z.B. der russischen Minderheit der Ukraine, die ja im Osten und auf der Krim die Mehrheit bildet, den ukrainischen Staatsverband zu verlassen.