Wie die US-Botschaft in Wien aus Mumia Abu-Jamal einen bewussten Mörder macht … und unsere Antworten (auf der Grundlage von Mumias Verteidigung in den USA)

ug/ögb

Labournet-Austria

http://www.labournetaustria.at
 In Antwort auf die Petition des Mumia-Solidaritätskomitees an Bill Clinton schickte mir die US-Botschaft in Wien am 10. November 1999 einen Brief, in dem ihre Politische Beamtin über den „Fall“ Mumia Abu-Jamal „informieren“ will. Zu diesem Zweck legte sie ein Dokument des ´US Department of State in Washington´ bei, in dem wieder einmal die bekannt-berüchtigten „4 Augenzeugen“ auferstehen, die Mumia brutal einen Polizisten niederschießen gesehen hätten. Und Mumias Anträge wären somit in dem ach so gerechten US-Justizsystems immer wieder abgewiesen worden … Im Folgenden drucken wir dieses US-Dokument ( übersetzt, hier in den betreffenden – blau wiedergegebenen – Absätzen) ab und antworten darauf jeweils auf der Grundlage der Fakten und Argumente, so wie sie die Verteidigung Mumias seit Jahren vorbringt.
Karl Fischbacher, Sprecher des Wiener Solikomitees „Freiheit für Mumia Abu-Jamal“, 19.11.99

Brief der US-Botschaft vom 10.11.99
„Sachverhalt:
Am 3. Juli 1982 wurde Herr Abu-Jamal von einer Jury im Gericht of Common Pleas in Philadelphia für die Ermordung eines Polizeibeamten am 9. Dezember 1981 verurteilt . Er wurde unter den Gesetzen des Staats von Pennsylvanien verhandelt und verurteilt.
Entsprechend den bei seinem Gerichtsprozess gezeigten Beweisen, kam Mr. Abu-Jamal dazu, als sein Bruder von einem Philadelphia Polizeibeamten angehalten wurde. Mr Abu-Jamal ging von hinten an den Offizier heran und schoss ihn in den Rücken. Der verletzte Offizier wollte in Selbstverteidigung zurück schießen und fiel zu Boden. Der Schuss des Polizisten traf Herrn Abu-Jamal, hielt diesen aber nicht davon ab, sich über den gefallenen Offizier zu stellen und ihn tödlich in den Kopf zu schießen. Danach versuchte Herr Abu-Jamal, auf die Polizisten zu schießen, als diese am Schauplatz ankamen und ihn festnahmen. Die Beweise gegen Herrn Abu-Jamal umfassten Aussagen von vier Augenzeugen des Mordes und der Auffindung der Mordwaffe, die Herrn Abu-Jamal gehörte und angemeldet war.“

„4 ZeugInnen“

Vorerst einmal konnte das Geschoß, das im Körper des Polizisten gefunden wurde, Mumia Abu-Jamal nicht zugeordnet werden (weil es angeblich zersplittert war). Die Anklage stützte sich dann hauptsächlich auf die Aussagen von vier Zeugen, die sich nach eigenen Angaben am Ort der Schießerei aufgehalten hatten. Die schwerwiegendste Aussage kam von der Prostituierten Veronica Jones, die Mumia auf den Polizisten schießen gesehen haben wollte (musste!). Anzumerken ist nämlich, dass ihr gerade eine Haftstrafe in Massachusetts drohte. … Ihre Kollegin Pamela Jenkins sagte aus, dass die Polizei ihnen beiden das Angebot gemacht hatte, dass sie nicht verhaftet werden würden, wenn sie als Zeuginnen gegen Mumia aussagen würden. Im Übrigen hat Veronica Jones später ihre Falschaussage im Prozess 1982 widerrufen …
Die 3 anderen Zeugen waren männliche Weiße, wobei zwei von ihnen zwar Mumia auf den Tatort zulaufen sahen und Schüsse hörten, aber nicht, wie Mumia auf den Polizisten geschossen hätte! Der vierte Zeuge, der Taxifahrer Robert Chobert, sagte bei der Polizei aus, dass der Schütze vom Tatort floh und ein Mann von rund 100 kg gewesen sei. Mumia wurde jedoch in der Schießerei selber getroffen, hatte damals 77 Kilo und … lag schwer verletzt am Boden! Robert Chobert widerrief bei der Gerichtsverhandlung seine Aussage, wobei ein Hintergrund gewesen sein dürfte, dass er ebenfalls eine Straftat begangen hatte und offenbar unter starkem Druck der Polizei stand. Und schließlich bot die Anklage noch eine Sicherheitsangestellte aus dem Krankenhaus als Zeugin auf, die „plötzlich“ – zwei Monate nach dem Vorfall(!) – Mumia laut sagen gehört haben wollte, dass er den Polizisten erschossen hätte. Allerdings sagten jener Polizeibeamte, der Mumia verhaftet und beaufsichtigt hatte, und das Notaufnahmepersonal das gerade Gegenteil aus, nämlich dass Mumia die ganze Zeit geschwiegen hätte!

„Entsprechend zahlreichen Entscheidungen des Bundesgerichts und des bundesstaatlichen Gerichts Pennsylvanias wurde Herr Abu-Jamal‘s Gerichtsprozess fair geführt und waren die Verurteilung und das Strafausmaß mit den verfassungsmäßigen Rechten vereinbar.“

„Fairer Prozess“

Die wirkliche Geschichte beginnt schon beim Richter Albert Sabo: Ein Richter mit den meisten Todesurteilen in den USA und der früher sechzehn Jahre lang Hilfssheriff in Philadelphia und Mitglied der rechtsradikalen Polizeivereinigung Fraternal Order of Police war. Mumia Abu-Jamal wurde somit bereits am dritten Tag das Recht entzogen, bei der Geschworenenauswahl mitzuwirken und sich selber zu verteidigen. Ihm wurde ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt, der inkompetent war und selber um seine Freistellung ansuchte…. Dadurch kam eine Geschworenenjury zusammen, in der nur drei AfroamerikanerInnen saßen. Einer der weißen Geschworenen besaß sogar einen Polizisten zum Freund, der im Dienst schwer angeschossen worden war …. Mumia wurde schließlich aus dem Gerichtssaal entfernt, weil er auf seinem Recht auf Selbstverteidigung beharrte!
Bei der Urteilsberatung gab es jedoch selbst in dieser weißen Jury hinsichtlich des Strafausmaßes Unsicherheiten, denn die Todesstrafe kann in den USA nur bei Vorsätzlichkeit einer Tat ausgesprochen werden. Diese „Vorsätzlichkeit“ wurde von der Anklage schließlich mit einem Zeitungsinterview „bewiesen“, indem sie Mumias Zitat-Aussage (als 16-jähriger BBP-Aktivist!) über die Macht, die aus Gewehrläufen komme (Mao Tse-tung), völlig aus dem Zusammenhang riss. Neben dieser Fälschung verletzte die Anklage –vom Richter Sabo akzeptiert – eindeutig das Gesetz und die verfassungsmäßigen Rechte Mumia Abu-Jamals!

„Da Herr Abu-Jamal zum Tode verurteilt wurde, wurde ihm ein Ansuchen an das oberste Gericht von Pennsylvania garantiert, das 1989 tagte, um seine Beschwerde zu behandeln. 1995 legte Herr Abu-Jamal Berufung gegen seine Verurteilung unter dem Nach-Verurteilungs-Entlastungs-Akt (Post-Conviction Relief-Act) Pennsylvanias ein. Jedoch lehnten das Philadelphia Court of Common Leas und das Höchste Gericht Pennsylvania seine Ansuchen ab.“

Befangenheiten, Rechtslastigkeiten und Regierungsabhängigkeiten bei den Berufungsgerichten von Beginn an

Schon beim ersten Berufungsverfahren beim Obersten Gericht in Pennsylvania 1985 gab es befangene und inkompetente Richter (McDermott, der schon früher einmal mit Mumia konfrontiert war, oder Larson, der später wegen eines Drogendelikts seines Amtes enthoben wurde). Das waren zwei der 4 Richter, die 1985 als mindesterforderliche Mehrheit die erste Berufung Mumias in allen Punkten ablehnten. Das Pennsylvania Supreme Court ist darüber hinaus noch als politisch gelenkt bekannt, wo einige Richter offen von Polizeiorganisationen unterstützt werden. Mit dem Obersten Bundesgericht erging es Mumia nicht besser, schreibt Leonhard I. Weinglass, Verteidiger von Mumia, und weist darauf hin, dass im gleichen Jahr, als es Mumias Berufung ablehnte, die Berufung eines Angeklagten von einer weißen rassistischen Vereinigung annahm (und dessen Todesurteil aufhob), weil die Anklage seine politische Mitgliedschaft argumentierte! (Nachwort zum Mumia Buch „…aus der Todeszelle“, 1995).

„Herr Abu-Jamal behauptet, dass er ein Opfer eines rassistischen amerikanischen richterlichen Systems sei. Weit reichende Berufungsverfahren im Commonwealth von Pennsylvania und im US-Bundesgerichtssystem garantieren allen angeklagten Personen Vorverfahren und einen fairen Gerichtsprozess. Dieser Schutz wird allen gewährt, die zu einer Todesstrafe verurteilt sind, um sicherzustellen, dass ihre Strafe weder willkürlich noch unverhältnismäßig ist.
Herr Abu-Jamal hat Berufung gegen diese Verurteilung und gegen das Strafausmaß auf Bundes- und bundesstaatlicher Ebene eingelegt. Die Legalität seines Gerichtsprozesses und die Verurteilung sind mehrmals durch die Appelle aufgerollt und jedes Mal ist der Schluss gezogen worden, dass seine legalen Rechte nicht verletzt wurden. Die Gerichte haben konsistent die Fragen zurückgewiesen, die er betreffend * dass ihm keine Gelder zur Verfügung gestellt wurden, um eine Untersuchung zu führen, * dass ihm das Recht versagt wurde, sich darzustellen, * dass sein vom Gericht zugewiesener Verteidiger unwirksam war und * dass afrikanische Amerikaner von der Jury ausgeschlossen wurden, vorgebracht hatte.“

Politische Verschärfungen erhöhen spätestens seit 1994 akut die Gefahr eines Justizmordes an Mumia!

Im Wahlkampf hatte der 1994 zum Gouverneur von Pennsylvania gewählte Republikaner Tom Ridge versprochen, die Hinrichtungen schneller durchführen zu lassen. 1995 unterschrieb er auch zum ersten Mal den Hinrichtungsbefehl für Mumia Abu-Jamal, was nicht zuletzt mittels einer breiten internationalen Solidaritätskampagne verhindert werden konnte.
1996 unterschrieb Präsident Bill Clinton den „Effective Death Penalty Act“, der erhebliche Einschränkungen der Möglichkeiten der Bundesgerichte vorsieht, Todesstafen der bundesstaatlichen Gerichte aufzuheben. Das neue Gesetz schränkt auch die Zahl der Berufungsmöglichkeiten ein. Unter dem Druck der Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre entstanden, hatten Bundesgerichte mit der alten gesetzlichen Regelung früher mehr als ein Drittel der bundesstaatlichen Todesurteile aufgehoben. 1996 wurde der „Cracker Justiz“ gerade in den Südstaaten der USA wieder die volle Macht zurückgegeben!

„Herr Abu-Jamal behauptet auch, dass er von der Philadelphia Polizei und dem FBI eingeschränkt (framed) wurde. Diese Behauptung stimmt nicht mit der Tatsache überein, dass er am Ort des Verbrechens festgenommen und in der Gegenwart von Augenzeugen auf die festnehmenden Polizeibeamten geschossen hatte. Er hat keine zusätzlichen Beweise geliefert, um diese Behauptung zu unterstützen.“

Nicht nur, dass Mumia stets seine Unschuld beteuerte, haben wir bereits auf die Qualität der ZeugInnen-Aussagen hingewiesen!

„Das Verfahren des Herrn Abu-Jamal läuft noch. Herr Abu-Jamal hat sein verfassungsmäßiges Recht auf Verfügung der Habeas Corpus im Bundesgerichtssystem ausgeübt. Am 26. Oktober 1999 gewährte ein Bundesrichter in Philadelphia einen Aufschub der für den 2. Dezember festgelegten Hinrichtung.
Der Fall des Herrn Abu-Jamal ist auch an die UN Kommission für Menschenrechte und mehrmals durch die UN Special Rapporteur on Summary, Abritrary, and Extrajudcial Punishment gegangen. In allen Fällen haben die UN Menschenrechts-Mechanismen befunden, dass seine Behauptungen ohne Bedeutung sind und dass er noch nicht alle seine Rechtsmittel unter dem US-Gesetz ausgeschöpft hat.“

Den internationalen Druck auf die US-Behörden erhöhen, um Mumia Abu-Jamal der US-Todesjustiz zu entreißen!

Unmittelbares Anliegen dieser Schrift war es, die Fehlinformationen der US-Botschaft zu widerlegen. Bemerkenswert ist, dass das Dokument des US Department of State in Washington im Grunde auf die rassistische Argumentation des Sabo-Gerichts gegen Mumia von 1982 zurückfällt. Nicht einmal die Punkte, die das Oberste Gericht von Pennsylvania im Oktober 1998 eingestehen musste, werden angeführt. Die Obersten Richter lehnten zwar das Ansuchen Mumias auf ein Berufungsverfahren ab, gestanden aber ein, dass es 1982 zu Verfahrensfehlern gekommen sei. Zeugen seien von der Polizei zu falschen Aussagen gedrängt worden und z.B. wurden in dem Richterspruch die Aussagen des Zeugen, dass Mumia ein Geständnis abgelegt haben sollte, für widersprüchlich abqualifiziert. Wie gesagt, haben diese Obersten Richter trotzdem eine Wiederaufnahme des Verfahrens für Mumia abgelehnt.
Dies und auch die Schrift der US-Botschaft zeigen einmal mehr, dass das US-Establishment sich nur mit Manipulationen dagegen wehren kann, einen linken anti-rassistischen Kämpfer, den es auch in 17 Jahren Todeszelle nicht brechen konnten, freilassen zu müssen. Welche Schmach wäre es für die Rassisten im Süden der USA bis zu den Obersten Richterherren in Washington, wenn nach ihrem jahrelangen verbissenen Widerstand, Mumia frei käme. Aber noch geht es vorrangig um ein Wiederaufnahmeverfahren und … allem voran darum, dass die letzte Berufung nicht wieder abgelehnt wird! Denn dann müssten wir tatsächlich in die letzte Schlacht für das Leben unseres Mitkämpfers Mumias ziehen …
Erhöhen wir also den Druck auf die US-Behörden: Steigern wir noch die Flut von Solidaritätsschreiben für Mumia an Bill Clinton, die US-Justizministerin Janet Reno und an Tom Ridge – mit Kopien an die US-Botschaft in Wien!
Wir, LabourNet-Austria und die Unabhängigen GewerkschafterInnen im ÖGB (ug/ögb)

freuen uns natürlich ganz besonders darüber, dass wir nach der Journalistengewerkschaftssektion (die Mumia zum Ehrenmitglied des Präsidiums ernannt hat) nun auch ÖGB-Präsident Verzetnitsch dazu gewinnen konnten, ihre Solidarität mit Mumia zu äußern (Solidaritätsbrief an Bill Clinton mit Kopie an die US-Botschaft: Für einen fairen Prozess und die Abschaffung der Todesstrafe).

* US-Botschaft in Wien, 9, Boltzmanng.16, Tel. 01/313-39
* President ……………., The White House, 1600 Penn. Ave Nw, Washington, DC 20500 USA
Fax 001 – 202 456 2461, Email: president@whitehouse.gov
* Attorney General ………………, Main Justice Building, 10th & Constitution Ave. Washington, DC 20053 USA, Fax 001– 202 514 4371, Email: janet-reno@internac.com
* Governor of Pennsylvania, …………………., Main Capitol Building, Room 225, Harrisburg, PA 16652, USA, Fax 001 – 717-783-4429, Email: governor@state.pa.us