K.Fischbacher: Der Mann, der Hunde liebte und … Trotzki ermordete

Die Ermordung fast der gesamten Avantgarde der Oktoberrevolution und weiter in den Gulag mit Millionen ZwangsarbeiterInnen und Ermordeten waren ein Wesenszug des Stalin’schen „Sozialismus“ und „Kommunismus“!

Leo Trotzki – am 20. August 1940 von einem stalinistischen Agenten ermordet

„Monsieur Trotzki erwartet mich“, sagte Jaques ‚Mornard‘ am 20. August 1940 zu Harald Robbins, einem Leibwächter der „Festung“, in der die Trotzkis in Coyoacan/Mexiko lebten (vgl. Padura 2009) . 1

Der Spanier ‚Mornard‘ (= Ramon Mercader = Frank Jacson = …) war schon Jahre vor dem 20. August 1940 von einer stalinistischen NKWD-Agentenclique als eine „Variante“ für die Ermordung Leo Trotzkis ausgewählt worden und genau so wie alles durchorganisiert war, wurde er gut arrangiert Sylvia Agelof vorgestellt. Sylvia Agelof, eine überzeugte „Trotzkistin“, wunderte sich zwar, dass dieser fesche vornehme ‚Geschäftsmann‘ gerade sie, ein eher farbloser Sekretärinnentyp, als Geliebte auswählte und nicht ihre attraktive Freundin. Sie war allerdings die Schwester eines Sekretärs Trotzkis in Mexiko und so war eine ganze NKWD-Mördergruppe damit beschäftigt, aus dem proletarischen fanatisch-stalinistischen Spanienkämpfer Ramon Mercader den noblen „Geschäftsmann“ Jaques Mornard zu machen – der in seinem Innersten aber fanatischer Stalinist bleiben musste!

1928 wurde Trotzki nach Alma Ata verbannt, 1929 ausgebürgert, 1932 die sowjetische Staatsbürgerschaft aberkannt. Das waren Jahre, in denen die Linksoppositionellen – „sowohl auf freiem Fuß als auch im Gefängnis und in der Verbannung – zeigten, dass sie trotz des wachsenden Drucks brutaler Verfolgung die für Stalin gefährlichste politische Kraft darstellten.“ (Rogowin 2006) 2. Mit ihrer weitgehenden Ausschaltung als relevante Kraft Ende der 1920er-Jahre gelang es der Stalingruppe die „rechte“ Opposition um Nikolai Bucharin kalt zu stellen. Das war bereits mitten in der Zeit der Kollektivierung, die Stalin mit kriminell-brutalen Methoden betrieb und der Sowjetunion einen brisanten Bürgerkrieg gegen die fast gesamte Bauernschaft aufbürdete (mit fast fünf Millionen Opfern).

Trotzki saß in Prinkipo fest, schrieb eine großartige Analyse des Nationalsozialismus und gegen Stalins Kollektivierungs- und Unterdrückungspolitik an; Übersiedelung nach Frankreich, dann nach Norwegen. Und auch dort wieder von der Regierung, unter Druck Moskaus aus dem Land geekelt, übersiedelten die Trotzkis nach Mexiko. Das waren trotz aller Mühen und Schicksalsschläge Jahre weiterer wichtiger Arbeiten Trotzkis – über die chinesische Revolution, den Spanischen Bürgerkrieg bis zu den Schauprozessen, in denen Stalin die revolutionäre Garde der Oktoberrevolution mittels unglaubhafter gefälschter „Beweise“, ermorden ließ.

In den Bürgerkriegszeiten 1928/29 und später, als Leo Trotzki, der nach wie vor MitstreiterInnen in der Sowjetunion und vor allem im Ausland hatte und eine wuchtige Feder gegen den Stalinismus führte, wurde es dem machthysterischen Stalin immer wichtiger, den ehemaligen Organisator der Oktoberrevolution und der Roten Armee, liquidieren zu lassen und … um seine eigene politische Bedeutungslosigkeit bis 1923 endgültig vergessen zu machen! Nach der Niederlage im spanischen Bürgerkrieg fiel wohl in Moskau die Entscheidung, den Mord an Trotzki vorzubereiten. Mit dem militärischen Fiasko der Roten Armee in Finnland und dem Stalin-Hitler-Pakt, die die nächsten politischen Krisen in den kommunistischen Bewegungen verursachten, trieb Stalin seine Mörderbande mehr und mehr an.

Jaques Mornard beginnt nun sein schändliches Psycho- und Sexspiel mit Sylvia Aglof, stets angeleitet vom NKWD und fuhr als „Geschäftsmann“ mit NKWD-Geld in der Tasche nach … Mexiko. Noch vor Sylvia Agelof. Im Mai 1940 war das erste Attentat auf Trotzki fehlgeschlagen. Und was für ein Glück für Stalins Mörder, die Sekretärin Trotzkis wurde bald danach krank und Sylvia Agelof sprang für sie ein! Jetzt war es ein Leichtes für Stalins Trainer in Sachen Mord, Ramon den galanten Freund Sylvias spielen zu lassen, sie regelmäßig mit dem Auto von Mexico-City nach Coyoacan zu fahren und wieder abzuholen. Im Laufe der Wochen freundet er sich mit den trotzkistischen Wächtern an, wird alsbald in den Hof der „Festung“ zu einer Tasse Tee eingeladen, wo er sogar mit Trotzki und Natalia ins Gespräch kommt. Noch ziert er sich politisch planmäßig und spielt den „unpolitischen“ Geschäftsmann (innerlich leidet er wegen der spanischen Niederlage). Schön langsam „interessiert“ er sich für den Trotzkismus und bringt am 20. August einen „Artikel“ mit, den sich „Monsieur Trotzki“ durchsehen sollte …

Natürlich ist es heute müßig zu fragen, warum Trotzki und Natalia, warum die Leibwächter:

♦ derart naiv sein konnten, einen ziemlich Fremden, der sich als Geschäftsmann ausgab und über den man so wenig Informationen hatte, immer öfter ins Haus zu lassen (wo war die Firma Jaques Mornards /Frank Jacsons, wer war sein Chef, wieso legte er, der sich auch als Journalist bezeichnete, einen derart schlecht geschriebenen Artikel vor? Drei Tage vor dem Mordtag las sich Leo Trotzki schon einmal einen Entwurf Jacsons durch, wo Trotzki auch anmerkte, dass er nicht glaube, dass „Mornard“ ein Belgier sei.

♦ warum sie Frank Jacson nicht kontrollierten, der in der Hitze eines 20. August mit einem dicken Mantel ins Haus kam?

♦ …Frank Jacson alleine mit Trotzki ins Arbeitszimmer gehen ließen, ohne auch nur einmal nachzuschauen …?

Die Ermordung fast der gesamten Avantgarde der Oktoberrevolution und weiter in den Gulag mit Millionen ZwangsarbeiterInnen und Ermordeten bleibt eine wesentliche Erinnerung an den Stalin’schen „Sozialismus“ und „Kommunismus“ bis heute! Wie gesagt, auch das „kommunistische“ Hemd ist schmutzig geworden. Alle Linken sollten es, so sie es noch anhaben, wechseln und aus der Geschichte der Russischen Revolution lernen (auch von problemhafter Politik Lenins und Trotzkis) – für eine geeinte antikapitalistische Linke in einem größeren Kreis von unabhängigen sozialen, feministischen, ökologischen AktivistInnen/Initiativen und konsequenten Demokratinnen – als breite Aktionseinheit gegen die kapitalistische Krisenoffensive!

Karl Fischbacher

Wien, 19.8.2011

Fußnoten

1) Leonardo Padura, Der Mann, der Hunde liebte, Roman Unionsverlag, 2009, S.605

Anmerkung: Die Erzählungen in diesem Artikel über Jaques Mornard bzw. Ramon Mercader oder

über Sylvia Agelof u.a. sind aus Leonardo Paduras Roman entnommen. Leonardo Padura hatte viele Jahre die Geschichte Trotzkis, Mercaders u.a. studiert, merkte aber zu seinem Buch an, dass es trotzdem ein Roman sei. An einer Stelle lässt er zum Beispiel den alternden Trotzki über Kronstadt räsonieren, ob es doch vielleicht falsch war, den Aufstand der Kronstädter Matrosen 1921 niederschlagen zu lassen. Recherchiert oder prosaisches Wunschdenken Paduras?

2) Wadim S. Rogowin, Stalins Kriegskommunismus, Arbeiterpresse Verlag, 2006, S.101